Vorgeschichte

1789 – „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“

Mit dem Sturm auf die Bastille in Paris am 14. Juli 1789 begann die Französische Revolution und damit eine neue Epoche der Menschheitsgeschichte. Die philosophische Aufklärung, der Unabhängigkeitskrieg in Nordamerika, der erstarrte französische Absolutismus und die katastrophale soziale Lage weiter Bevölkerungsteile lösten die Revolution aus. Der Dritte Stand war eklatant gegenüber Adel und Klerus benachteiligt. Hinzu kam die industrielle Revolution, welche von Großbritannien ausgehend die Welt veränderte.

Die im Frühjahr 1789 einberufenen Generalstände bestanden aus Vertretern des Adels, des Klerus und des Dritten Standes. Vor allem letzterer ließ sich zunehmend weniger bevormunden. Der Dritte Stand umfasste mehr als 95 % der Bevölkerung, ihm gehörten Bürger, Bauern, Handwerker, städtische und ländliche Unterschichten an.

 In einer Schrift hatte der Abbé E. J. Sievès zu Beginn des Revolutionsjahres pointiert formuliert:

„1. Was ist der Dritte Stand? Alles.
2. Was ist er bis jetzt in der politischen Ordnung gewesen? Nichts.
3. Was verlangt er? Etwas zu sein.“

Zur Jahresmitte überschlugen sich die Ereignisse: Am 17. Juni erklärten sich die Abgeordneten des Dritten Standes zur Nationalversammlung; am 20. Juni wurde diesen Abgeordneten der Sitzungssaal verwehrt, man wich ins Ballhaus aus und schwor feierlich, erst auseinanderzugehen, wenn eine Verfassung verabschiedet sein würde. Als wenige Tage später der bei breiten Bevölkerungsschichten geachtete Finanzminister Jacques Necker entlassen wurde und zudem Gerüchte umgingen, dass Militär zur Niederhaltung der beunruhigten und verzweifelten Massen im Anmarsch sei, begann der Sturm auf die Bastille, dem Symbol absolutistischer Herrschaft im Herzen von Paris.

Am 26. August 1789 verabschiedete die Nationalversammlung die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte:

„Die Menschen werden frei und gleich an Rechten geboren und bleiben es. (…) Der Zweck jeder staatlichen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen und unverjährbaren Menschenrechte. Diese Rechte sind: Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung.“

Ferner wurde die Gewaltenteilung ebenso festgeschrieben wie die Gleichheit vor dem Gesetz, Meinungs- und Pressefreiheit, Freiheit des Glaubens, Schutz des Privateigentums. Diese Erklärung orientierte sich an der nordamerikanischen Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 und fand Eingang in die französische Verfassung von 1791.

Allerdings galten die in der Verfassung von 1791 verankerten Menschen- und Bürgerrechte nur für Männer. Die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Olymp de Gouges sandte daher eine „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“ an die Nationalversammlung. Ihre Forderungen wurden abgelehnt. Juni 1793 wurde sie wegen des Plakatierens von Wandzeitungen inhaftiert und im November des gleichen Jahres hingerichtet.

1815 – Der Wiener Kongress und die Restauration

Nachdem Napoleon seinen Russlandfeldzug (1812) verloren und in der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 besiegt worden war, zogen die Alliierten (Preußen, Österreich, Russland und England) im März 1814 in Paris ein. Die Dynastie der Bourbonen wurde wiederhergestellt und Napoleon auf die Insel Elba verbannt. Zur Neuordnung Europas traten Vertreter der Siegermächte im Oktober 1814 in Wien zusammen. Die wochenlangen Verhandlungen gestalteten sich aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen kompliziert. Die Leitung oblag dem österreichischen Außenminister Fürst Klemens von Metternich. Das Rad der Geschichte ließ sich nicht ohne Weiteres zurückdrehen. Als Napoleon am 1. März 1815 überraschend aus der Verbannung zurückkehrte, wurden die Verhandlungen beschleunigt und am 8. Juni die Kongressakte unterzeichnet. Wenige Tage später, am 16. Juni, wurden die Truppen Napoleons bei Waterloo geschlagen.

Das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“ (aufgelöst 1806) wurde in den Deutschen Bund umgewandelt, der bis 1866 existierte. Das Fundament der folgenden Restauration wurde die „Heilige Allianz“, dominiert von Preußen, Österreich und Russland. Dieses Bündnis ging endgültig im Krimkrieg 1853 unter, war aber der Stabilitätsanker der monarchischen, konservativen und reaktionären Eliten.

Die Restaurationsphase dauerte bis zu den Revolutionen von 1830 und 1848. Das „System Metternich“ bekämpfte alle liberalen, demokratischen, nationalen und emanzipatorischen Strömungen gleichermaßen mit Überwachung, Verfolgung und harten Strafen. Die „Karlsbader Beschlüsse“ (1819) zwischen Preußen und Österreich schufen ein repressives System vielfältiger Unterdrückung der Meinungsfreiheit, von Berufsverboten, der Kontrolle und Zensur von Publikationen, auch die Burschenschaften wurden verboten. Die Maßnahmen dienten der Konservierung der bestehenden Machtverhältnisse.

Wiener Kongress, J.B. Isaben

Quelle: Wikicommons, Link

1844 – Aufstand der schlesischen Weber

Die verzweifelte Lage der Weber führte im Juni 1844 in den schlesischen Ortschaften Peterswaldau und Langenbielau zum Aufstand. In den vorangegangenen Jahren hatten sich die soziale Lage und die wachsende Ausbeutung zunehmend verschärft. Die Baumwollweber waren beruflich selbstständig und produzierten in Heimarbeit. Allerdings waren sie von Verlegern abhängig, welche Garn und andere Materialien zur Verfügung stellten und nach vorheriger Preisabsprache die hergestellten Waren in Empfang nahmen, um diese zu verkaufen. Auf Grund der anhaltenden Überproduktion im Textilbereich drückten die Verleger die Preise und damit das Einkommen der Weber und ihrer Familien.

Am Abend des 3. Juni zogen die Weber vor die Gebäude der Fabrikanten Zwanziger, dem größten Textilunternehmen in Peterswaldau. Vorausgegangen waren Lohnkürzungen und eine entwürdigende Behandlung durch das Unternehmen „Zwanziger & Söhne“. Die kleine Schar wurde von den Dienern der Verleger Zwanziger zerstreut, der Weber Wilhelm Mädler wurde verhaftet. Anderntags formierte sich ein mächtigerer Zug, um die Freilassung Mädlers und bessere Entlohnung zu erreichen. Nach einem erfolglosen Gespräch mit dem zuständigen Landrat zogen die Weber zur Villa des nunmehr abwesenden Zwanziger und demolierten die Einrichtung. Zudem waren das Lager und die Fabrik betroffen, Maschinen und Inventar wurden zerstört. Am folgenden Tag gingen die Weber nach Langenbielau, wo ebenfalls Gebäude von weiteren verhassten Unternehmern verwüstet wurden.

Am 6. Juni rückte preußisches Militär ein und schlug den Aufstand blutig nieder: elf tote und zahlreiche schwerverletzte Weber waren zu beklagen. Weit über 100 Weber wurden verhaftet und ausgepeitscht. Das Gros der Aufständischen wurde zu langen Haftstrafen verurteilt.

Die Weber und ihre Angehörigen rebellierten gegen zunehmende Verelendung und soziale Not, gegen extremste Ausbeutung durch Verleger, gegen den repressiven Obrigkeitsstaat und gegen den Militär- und Polizeiapparat. Auch in anderen Teilen Deutschlands kam es zu Aufständen und Unruhen. Die Ereignisse wurden vielfach künstlerisch bearbeitet, u.a. in den Gedichten „Die schlesischen Weber“ von Heinrich Heine und „Das Hungerlied“ von Georg Weerth, ebenso im Drama „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann.

Heinrich Heine

Quelle: Wikicommons, Link

1848 – Revolution in Europa

Nach dem Wiener Kongress setzte eine Restaurationsphase mit vielfältigen Repressions- und Unterdrückungsmaßnahmen ein. Dennoch gelang es den konservativen und reaktionären Eliten nicht, vollständig in die feudalabsolutistische Zeit vor der Französischen Revolution zurückzukehren. Zu viele wirtschaftliche, politische und soziale Probleme blieben ungelöst. Die Frage der nationalen Einheit spielte in Deutschland eine zentrale Rolle. Nicht zuletzt durch die Befreiungskriege gegen Napoleon I. war eine Bewegung für einen einheitlichen Nationalstaat entstanden. Damit verbunden waren die Frage nach dessen Verfassung, den Grundrechten, wie Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit. Die Farben Schwarz, Rot und Gold wurden zur deutschen Trikolore. Am 4. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig 1817 trafen sich Studentengruppen auf der Wartburg bei Eisenach.

Nach der Herrschaft Napoleons wurde Frankreich eine konstitutionelle Monarchie. Als König Karl X. die Pressefreiheit abschaffen und das Wahlrecht erheblich einschränken wollte, brach in Paris 1830 die Julirevolution aus. Spontan wurden Barrikaden gebaut, die Regierung zum Rücktritt gezwungen und der König gestürzt. Louis-Philippe von Orleans wurde zum sogenannten „Bürgerkönig“ gewählt. Auch in Deutschland kam es zeitgleich zu regionalen Unruhen.

Die Zeit bis zur Revolution von 1848 war durch verschärfte Repression seitens der Herrschenden und durch eine zunehmende Verschlechterung der sozialen Lage breiter Bevölkerungsschichten geprägt. In der Folge kam es zu einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Veränderung im Zuge der einsetzenden Industrialisierung, die mit dem Verlust traditioneller Arbeits- und Lebenswelten einherging. Verschiedene politische Organisations- und Aktionsformen entstanden: 1832 wurde in Paris von politisch Geflüchteten und wandernden Handwerksgesellen der „Deutsche Volksverein“ gegründet. Im Mai des gleichen Jahres fand das „Hambacher Fest“ mit 30.000 Teilnehmenden statt. Im April 1834 gründete sich in Bern der Geheimbund „Junges Deutschland“ und im Sommer in Paris der „Bund der Geächteten“, im Juli erschien „Der Hessische Landbote“ von Georg Büchner, dessen Losung lautete „Friede den Hütten! Krieg den Palästen!“. Ab 1836 scherten Arbeiter und Handwerksgesellen aus dem „Bund der Geächteten“ aus und bauten den „Bund der Gerechten“ als Geheimorganisation auf. Aus diesem Bund entstand 1847 der „Bund der Kommunisten“. Karl Marx und Friedrich Engels wurden beauftragt, ein Programm zu formulieren. So entstand das „Manifest der Kommunistischen Partei“, heute besser bekannt unter dem Namen „Kommunistisches Manifest“.

Angefangen mit der „Februarrevolution“ 1848 in Frankreich brach sich eine mächtige Revolutionswelle durch nahezu alle europäischen Länder ihre Bahn. Am 13. März musste Fürst Metternich auf Druck der Aufständischen in Wien seinen Hut nehmen und nach London fliehen. In Berlin musste der preußische König Friedrich Wilhelm IV. vor den Bahren der gefallenen Barrikadenkämpfer seinen Hut ziehen und sich verbeugen. Die Revolution hatte zunächst gesiegt.

Wenngleich die Revolution regional unterschiedliche Ausprägungen annahm, reagierten die ehemals uneingeschränkt Herrschenden ähnlich: mehr oder minder umfangreiche Versprechungen, Ersetzung von unbeliebten Staatsdienern durch liberalere, Ankündigung von Reformen usw.

In der Frankfurter Paulskirche konstituierte sich am 18. Mai die deutsche Nationalversammlung, welche bis zum Mai 1849 bestand. Die gewählten Abgeordneten sollten eine Verfassung für Deutschland ausarbeiten. Mit der Niederlage der Arbeiter in Paris in der „Junischlacht“ 1848 war das Signal zur Konterrevolution in Europa gegeben. Im Oktober besiegten habsburgisch-monarchistische Truppen die Aufständischen in Wien, im November marschierten preußische Truppen in Berlin ein. Im März 1849 wurde im Frankfurter Parlament die Reichsverfassung verabschiedet. Neben den Grundrechten war eine konstitutionelle Monarchie vorgesehen. Der Kaiser sollte vom Parlament gewählt werden. Der vom Parlament gewählte preußische König Friedrich Wilhelm IV. lehnte allerdings die Krone ab. In der Folge wurde das Parlament aufgelöst und mit der Einnahme der Festung Rastatt durch monarchistische Truppen war die letzte Bastion der Revolutionäre am 23. Juli 1849 gefallen. Die Revolution war in Deutschland blutig niedergeschlagen worden. Es folgte eine neue Phase der Verfolgung und Unterdrückung.

1848 – Das „Manifest der Kommunistischen Partei“

Kurz vor Beginn der europäischen Revolution(en) 1848/49 beauftragte der Bund der Kommunisten Karl Marx und Friedrich Engels ein Manifest zu verfassen. Es sollte eine Zeitdiagnose und einen Forderungskatalog enthalten, ebenso eine Abgrenzung von anderen demokratischen und sozialistischen Strömungen. Der Bund der Kommunisten war eine Gruppe deutscher Handwerker und Arbeiter im Exil. Karl Marx und Friedrich Engels waren damals Journalisten.

Das „Kommunistische Manifest“, wie es später bezeichnet wurde, ist in alle gängigen Weltsprachen übersetzt und gilt bis heute als das bedeutendste Programm der Arbeiterbewegung. Die geschätzte Auflage aller Ausgaben beträgt etwa 500 Millionen.

Es beginnt mit dem Satz: „Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus …“ und endet mit  „… die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“

Die vier Kapitel des Manifests befassen sich mit folgenden Themen:

Zunächst: Dem Verhältnis von Proletariern und Bourgeois, also dem Gegensatz von Lohnarbeiter und Kapitalisten, der Geschichte und Zukunft der Klassengesellschaft. Hier wird der Klassenkampf als treibendes Moment der geschichtlichen Entwicklung herausgearbeitet.

Weiterhin beschäftigt sich die Schrift mit dem Verhältnis von Proletariern und Kommunisten. Hier wird dargelegt, welche Konsequenzen aus der Abschaffung der Klassengesellschaft folgen. Und welche Vorurteile gegenüber den Forderungen der Kommunisten bestehen.

Danach folgt eine Kritik anderer sich als Sozialisten verstehender Gruppen. Diese ist umfangreich, aber ohne theoretische und geschichtliche Vorkenntnisse heute nur sehr schwer nachvollziehbar.

Im Schlusskapitel wird die Stellung der Kommunisten zu den anderen politischen Parteien Europas erörtert: Die Kommunisten unterstützen die bürgerlichen demokratischen Revolutionen in Europa, aber sie bleiben hier nicht stehen, sondern in einem zweiten Schritt nach der demokratischen Revolution wollen sie eine Gesellschaft ohne Klassengegensätze aufbauen. Aus ehemaligen Verbündeten werden nun Gegner. Das Ziel:

„An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation (meint: eine Vereinigung, ein Zusammenschluss), worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist.“

Die zeitgenössische Resonanz auf das Manifest war eher verhalten. Bei den Gegnern der Arbeiterbewegung galt es als Beweis, dass diese Bewegung des Umsturzes und der Revolution nicht nur der alten feudalen, sondern auch der neuen bürgerlichen Gesellschaft ist.

Nach der gescheiterten bürgerlichen Revolution von 1848/49 folgte eine Zeit der Unterdrückung der Arbeiterbewegung durch die „alten Mächte“. Erst seit Beginn der 1860er Jahre beginnt ein neuer Aufschwung mit neuen programmatischen Überlegungen.

Die Vorkommnisse in Gotha 1848

Ab 1826 wurde das Herzogtum Sachsen-Coburg und Sachsen-Gotha in Personalunion von Herzog Ernst I regiert. Er begegnete dem liberalen Bürgertum durch Reformen. Ab August 1827 sollte eine Kommission aus Beamten und Bürgerlichen Vorschläge für eine bessere Verwaltung machen, die auch umgesetzt wurden. Im Bereich der Wirtschaft fielen einige Privilegien und Beschränkungen des Marktverkehrs weg. Der Landesherr misstraute aber seinen Bürgern. Schon zu dieser Zeit wurden Versammlungen von Bürgerlichen durch Polizeirat Friedrich Eberhardt und seinen Gefolgsmännern überwacht.

Im Herbst 1830 brachen auch in Gotha Unruhen aus. Der Herzog empfing daraufhin die Bürger, die folgende fortschrittliche, aber teils auch konservative Forderungen stellten:

  1. Arbeit für den Winter in der Nähe der Stadt
  2. Abstellung von Verlusten der Stadt (bezogen auf das Zollsystem und Hofhaltung)
  3. vollständiger Ersatz bei Wildschäden
  4. Berücksichtigung der Innungsverhältnisse
  5. Verminderung der Holzpreise
  6. bessere Einrichtung der ständischen und städtischen Verfassung

Im Ergebnis wurde eine Kommission eingesetzt, die eine neue Stadtverfassung ausarbeiten sollte. Die mittelalterliche Verfassung sah vor, dass ein auf Lebenszeit gewählter Rat nach dem Tod durch ein vom Rat selbst bestimmtes Mitglied ersetzt wurde. Die neue Verfassung umfasste die Wahl der 30 Stadtverordnete durch rund 770 Einwohner, die das Bürgerrecht besaßen. Die städtischen Verordneten wählten zwei Bürgermeister und fünf Ratsherren. Gotha hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings rund 12.000 Einwohner. Die meisten besaßen kein Wahlrecht.

Die 1847 einsetzende Wirtschaftskrise machte sich auch in Gotha durch eine hohe Arbeitslosigkeit und Hungersnot bemerkbar. Die Nachricht von der Februarrevolution in Frankreich löste im Herzogtum eine Welle von Demonstrationen und Versammlungen aus. Seit 1844 regierte Herzog Ernst II in Sachsen-Coburg und Gotha. Er ließ, um die Lage zu beruhigen, am 7. März eine Proklamation verkünden, die seine Bürger beruhigen sollte. Am 8. März sammelte sich dennoch eine Menschenmenge vor dem Herzoglichen Palais und übergab ihm Forderungen. Der Herzog versicherte zunächst seine Unterstützung. Am 15. März 1848 wurde ein Entwurf für eine Landesverfassung verabschiedet und ein Landtag gebildet. Dieser umfasste aber nur Adlige und Bürgerliche als Abgeordnete. Die breiten Volksschichten blieben vom Wahlrecht ausgeschlossen. Die Revolution brachte die Aufhebung der Zensur, die Abschaffung des Jagdfrons, der Landesherrlichkeit und der Patrimonialgerichtsbarkeit (das Recht der Gutsherren und des Adels zu richten). Am 25. März 1849 wurde ein Staatsgrundgesetz verabschiedet. Die Verfassung Gothas war eine der fortschrittlichsten in Deutschland, da sie z. B. ein liberales Versammlungsrecht beinhaltete. Aufgrund dessen konnten in der nachfolgenden Zeit die Parteitage der Arbeiterbewegung in Gotha stattfinden.

„… doch wird es hier ohne Zweifel ruhig bleiben; der Herzog ist ein gescheiter Mann, und die Gothaer haben zwar politische Theorien für die ganze Welt fertig, aber am eigenen Herde mögen sie nichts davon wissen, sondern helfen eben nur da nach, wo der Schuh sie gerade drückt.“

Friedrich Christoph Perthes

Quelle: Wikicommons, Link

Der Verleger und Buchhändler Friedrich Christoph Perthes 1830

„Jeder ist Staatsbürger, jeder ein deutscher Mann. Wir würden ja sogar den Frauen recht gern ein williges Ohr leihen, wenn sie die Rednerbühne besteigen wollten.“

Ludwig Storch

Quelle: Wikicommons, Link

Ludwig Storch, Dichter und führender Demokrat in Gotha, in einer Rede am 16. März 1848 im „Schießhaus“

Das Gothaer Nachparlament 1849

In der Frankfurter Nationalversammlung wurde Gotha von dem rechtsliberalen Buchhändler Friedrich Gottlieb Becker vertreten. Die Liberalen besaßen die Mehrheit im Parlament und boten dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone an, der es allerdings ablehnte, von einem Parlament gekrönt zu werden. Viele Abgeordnete traten nun aus der Nationalversammlung aus. Im Mai 1849 wurde die Revolution in Preußen gewaltsam niedergeschlagen.

Eine der Nationalversammlung folgende Nachversammlung wurde als Gothaer Nachparlament bekannt. Die Stadt wurde gewählt, weil sie zentral lag und der Herzog relativ liberal war. Vom 26. bis 28. Juni 1849 trafen sich im Landestheater der Stadt 148 Männer. Sie forderten ein preußisches Erbkaisertum, schlossen dabei alle revolutionär-demokratischen Kräfte aus und verzichteten auf die politische Macht. Die Gothaische Zeitung bezeichnete dieses Vorgehen als „Todesstoß für das Werk einer nationalen Vereinigung“.

Preußens Vorstoß einen kleindeutschen Bundesstaat (Dreikönigsbündnis Preußen-Hannover-Sachsen) zu gründen, wurde bei der Parlamentstagung der Deutschen Union (Erfurter Unionsparlament) vom 20. März bis 29. April 1850 in Erfurt beraten. Die beschlossene Unionsverfassung sah eine Wahl nach dem Drei-Klassen-Wahlrecht vor, bevorzugte also ausschließlich reiche und adlige Männer. Sie war damit weniger demokratisch angelegt, als die Verfassung der Frankfurter Nationalversammlung.

1863 – Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV)

Pfingsten 1863 wurde im Pantheon in Leipzig der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) gegründet. 14 Jahre nach der gescheiterten demokratischen Revolution 1848/49 entstand nun erstmals wieder eine Arbeiterpartei in Deutschland. Alle Versuche eine eigenständige Organisation der Arbeiter aufrechtzuerhalten, scheiterten bisher an inneren Streitereien und äußerem Druck in der Zeit nach der 1848er Revolution. Gleichwohl bildeten sich Arbeiter(bildungs)vereine in den fünfziger Jahren, teilweise unterstützt durch das linksliberale und fortschrittliche Bürgertum.

Aus diesen Vereinen, die sich regional in den Zentren der Industrialisierung befanden, entstand eine vernetzte Bewegung. Teile dieser Bewegung verfolgten zu Beginn der 1860er Jahre das Ziel, eine eigenständige Arbeiterpartei, jenseits der Organisationen des fortschrittlichen Bürgertums zu gründen. Diese Idee war intern nicht unumstritten. Es bedurfte allerdings mehrerer Anstöße. Zum einen gab es Kontakte zum Ausland, wo bereits unterschiedliche kommunistische, sozialistische, gewerkschaftliche und anarchistische Bewegungen existierten sowie exilierte Handwerker und Intellektuelle mit sozialistischen Ideen aktiv waren.

Zum anderen gab es Ferdinand Lassalle. Er trat seit Beginn der sechziger Jahre bei den Arbeitervereinen auf und vertrat programmatische Vorstellungen einer selbstständigen Organisation der Arbeiter jenseits bürgerlich liberaler Vereine und Parteien. Seine Programmschrift, die dies propagierte „Über den besonderen Zusammenhang der gegenwärtigen Geschichtsperiode mit der Idee des Arbeiterstandes“ wurde 1862 veröffentlicht und sogleich verboten.

Lassalle war ein bekannter Mann, der bereits in der 48er Revolution als linker politischer Journalist gearbeitet hatte, öffentlichkeitswirksam langjährige Prozesse zugunsten einer misshandelten Ehefrau verfocht, Theaterstücke mit revolutionärem Inhalt verfasste und moderne linke Philosophie betrieb. Er verkehrte in (bildungs)bürgerlichen Kreisen und war durch seine Anwaltschaft wohlhabend geworden.

Lassalles weitschweifige und ausladende Reden und Schriften richteten sich an die in den Vereinen organisierten, meist gebildeten Handwerker. In einer geschichtlichen Herleitung und mittels aktueller statistischer Fakten schilderte er, dass mit dem Heraufziehen der bürgerlich kapitalistischen Gesellschaft die Arbeiter immer schutzloser den Zufälligkeiten der Märkte und der Krisen ausgesetzt seien.

Ein allgemeines und gleiches Wahlrecht war deshalb auch die zentrale Forderung. Hierüber sollte in einem reformierten Staat Mehrheiten errungen werden und die Lage der Arbeiter verbessert werden.

Die Förderung von Produktivgenossenschaften einerseits, das Anrecht auf den vollen Arbeitsertrag andererseits bildeten die ökonomischen Grundforderungen. Das war nicht immer in sich konsistent und durchgearbeitet, traf aber ganz offensichtlich einen Zeitgeist bei seinem Publikum in den Arbeitervereinen. Er bewegte Massen und war ganz offensichtlich ein begeisternder Rhetoriker.

Nachdem seine politische Agenda bekannt geworden war, forderten die Arbeitervereine ihn auf, ein Programm zu erarbeiten und eben jenen ADAV damit zu begründen.

Am 1. März 1863 war der Text „Offenes Antwortschreiben. An das Zentralkomitee zur Berufung eines Allgemeinen Deutschen Arbeiterkongresses zu Leipzig“ fertig. Beeindruckend an dem Text ist seine bisweilen klare Detailargumentation, weniger die Gesamtkonstruktion. Die zentrale Frage, an der sich die versammelten Geister in Leipzig und danach schieden, war die Frage nach einer selbstständigen Arbeiterpartei. Die Minderheit, unter anderem auch August Bebel, der spätere SPD-Vorsitzende, versagten dem ADAV und Lassalle die Gefolgschaft. Sie blieben weiterhin noch Jahre Mitglieder progressiver bürgerlicher Parteien (z. B. der Fortschrittlichen Volkspartei).

Der ADAV konsolidierte sich trotz oder wegen der alleinigen Führung Ferdinand Lassalles. Lassalle wollte mit seinem Führungsanspruch der regionalen Zersplitterung der Partei entgegentreten, er war aber außerordentlich eigensinnig. Zwei Jahre später starb er nicht einmal vierzigjährig in einem Duell.

Die internen Auseinandersetzungen nach dem Tod führten den ADAV zeitweise in eine Krise, die aber überwunden werden konnte. Das programmatische Erbe Lassalles findet man noch deutlich im Gothaer Programm der vereinigten Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) von 1875, klarer formuliert als in Lassalles Schriften selbst.

Was bleibt von Lassalle?

Vor allem die Vorstellung eines freien Volksstaates, der die allgemeine Sittlichkeit im Sinne der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung vertritt, ist historisch zum Gemeinplatz aller nichtmarxistischen sozialdemokratischen Theorie und Programmatik bis heute geworden. Persönliche und politische Weggefährden aber Gegner seiner Theorien, wie etwa Karl Marx und Friedrich Engels, haben nach seinem Tod kleinlaut hervorheben müssen, dass es Lassalles großes Verdienst war, die parteipolitisch eigenständige Organisation der Arbeiter in der Sozialdemokratie – jenseits der bürgerlichen Demokraten – begründet zu haben. Sie hielten ihn für „politisch einen der bedeutendsten Kerle in Deutschland“ (Engels, 4.9.1864) und „von der vieille souche“ (vom alten Stamm) kommenden „Feind unserer Feinde“ (Marx, 7.9.1864).

Ferdinand Lassalle

Quelle: Wikicommons, Link

1864 – Internationale Arbeiterassoziation (IAA): „Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!“

Am 28. September 1864 wurde in London die „Internationale Arbeiterassoziation“ („I. Internationale“) gegründet. Mitglieder konnten Einzelpersonen, nationale Sektionen, Gewerkschaften, Parteien und Genossenschaften werden. Es war die erste internationale Vereinigung der Arbeiterbewegung. Karl Marx war der Verfasser der „Allgemeinen Statuten“ und der „Inauguraladresse“ der IAA. Wie im „Manifest der Kommunistischen Partei“ war deren Losung „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“. Gemeinsames Ziel war die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise und die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft. Es vereinigten sich unterschiedliche Strömungen aus der europäischen Arbeiterbewegung und den USA. Deren gemeinsames internationales Handeln sollte im Zentrum stehen. Allerdings vertraten die Aktivisten und Organisationen aufgrund der jeweiligen nationalen Gegebenheiten zum Teil höchst unterschiedliche programmatische Vorstellungen.

Entschlossen und konsequent bekämpfte die IAA den Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) und stand auf der Seite der Pariser Kommune. Der wachsende internationale Verfolgungsdruck und interne Konflikte zwischen „Marxisten“ und „Anarchisten“ führten dazu, dass der Sitz des Generalrats 1872 von London nach New York verlegt wurde. In Philadelphia (USA) wurde 1876 die Auflösung der IAA beschlossen. Die unterschiedlichen programmatischen und organisatorischen Konzepte (Anarchismus, Kommunismus, Proudhonismus u.a.) waren letztendlich der Hauptgrund für die Auflösung der IAA.

Dennoch war mit der IAA eine einflussreiche „Internationale“ entstanden. Internationalistisches Denken und solidarisches Handeln über die eigenen Landesgrenzen hinweg hatten sich in den nationalen Arbeiterbewegungen verfestigt. Die Einsicht in die Notwendigkeit internationalen Handelns blieb ein fester Bestandteil der Programmatiken. Zunehmend wuchs auch der Organisationsgrad, es wurden weitere nationale Arbeiterorganisationen gegründet. 1889 wurde in Paris die II. Internationale ins Leben gerufen.

„[Die Arbeiterassoziation erklärt], dass alle Gesellschaften und Individuen, die sich ihr anschließen, Wahrheit, Gerechtigkeit und Sittlichkeit anerkennen als die Regel ihres Verhaltens zueinander und zu allen Menschen, ohne Rücksicht auf Farbe, Glauben oder Nationalität.“

Karl Marx 1867

Quelle: Wikicommons, Foto von Friedrich Karl Wunder, Link

Karl Marx, Allgemeine Statuten der IAA

1868 – Verbandstag Deutscher Arbeitervereine (VDAV)

August Bebel, Präsident des Verbandstages Deutscher Arbeitervereine (VDAV)

Quelle: AdsD 6/FOTA021468

Der VDAV wurde am 7./8. Juni 1863 in Frankfurt/M. als Gegenpol zum Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV, „Lassalleaner“) gegründet. Der ADAV hatte sich wenige Tage zuvor am 23. Mai in Leipzig konstituiert. Im VDAV dominierten anfangs bürgerliche Demokraten und Liberale. Thematisch spielten Arbeiterbildung, Freizügigkeit, Versicherungswesen, Unterstützungskassen, Wohnungsfragen und das Genossenschaftskonzept von Hermann Schulze-Delitzsch eine wesentliche Rolle.

Regional betrachtet waren die Mitgliedsvereine in Südwestdeutschland und Sachsen besonders aktiv. Die juristischen Rahmenbedingungen waren in Deutschland unterschiedlich und in Preußen besonders restriktiv. Ein einheitliches Vereinsgesetz wurde erst 1908 eingeführt. Frauen war die Mitgliedschaft und die Teilnahme an Versammlungen ebenso verboten wie Lehrlingen, Gesellen und Personen unter 18 Jahren.

In den Folgejahren nach Gründung setzte eine zunehmende Linksentwicklung ein. Der spätere SPD-Parteivorsitzende August Bebel gehörte seit 1864 dem Ständigen Ausschuss des VDAV an und stand dem 1865 gegründeten „Sächsischen Gauverband“ vor. Dieser war der stärkste Verband im VDAV. 1867 wurde Bebel zum Präsidenten des Verbands gewählt und Leipzig wurde Sitz des Vorstandes.

Im September 1868 kam es auf dem 5. Verbandstag in Nürnberg zur entscheidenden Zäsur: Im Zuge der Diskussion zu einem neuen Programm und der Frage zur Haltung zur Internationalen Arbeiterassoziation (IAA, „I. Internationale“) kam es zu heftigen Kontroversen. Im Ergebnis schloss sich die Mehrheit den Zielen der IAA an, woraufhin die Liberalen den Vereinstag verließen. Zudem wurde beschlossen, die Gründung von Gewerkschaften auf nationaler Ebene zu unterstützen. August Bebel, der mit Wilhelm Liebknecht für die IAA eingetreten war, wurde wieder zum Präsidenten gewählt.

Direkt nach dem Eisenacher Kongress, auf dem die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) gegründet wurde, wurde der VDAV am 9. August 1869 aufgelöst. Nunmehr war neben dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein („Lassalleaner“) mit den „Eisenachern“ eine zweite Arbeiterpartei in Deutschland entstanden.

1869 – Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) in Eisenach

Das Eisenacher Programm wurde auf dem ersten Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) im August 1869 beschlossen. Die bekanntesten Mitglieder dieser Partei waren Wilhelm Liebknecht und August Bebel.

Das Programm ist kurz, knapp und kämpferisch. Es verpflichtet die Mitglieder auf sechs Grundsätze und erhebt elf Forderungen. Der historisch und v.a. organisatorisch wichtigste Grundsatz des Programms ist die Mitgliedschaft als deutsche Sektion in der Ersten Internationale, der internationalen Vereinigung nationaler sozialistischer und Arbeiterparteien.

An erster Stelle des Programmkatalogs steht die Forderung nach einem freien Volksstaat, als Forderung nach politischer Freiheit und demokratischer Organisation des Staates mit allgemeinem gleichen Männerwahlrecht ab dem zwanzigsten Lebensjahr, die Abschaffung aller Privilegien und Hindernisse der organisatorischen Betätigung, die Trennung von Staat und Kirche, unentgeltlicher Schulbesuch und Rechtspflege durch Geschworenengerichte und die Abschaffung des stehenden Heeres.

Im Kern werden hiermit die Forderungen aus der 1848/49er Revolution nach einer bürgerlichen Republik, statt des monarchischen Obrigkeitsstaats wie er bis 1918 bestehen sollte, aktualisiert und als Forderungen der Arbeiterbewegung festgehalten.

Die sozialen Forderungen konzentrieren sich auf die Koalitionsfreiheit, d.h. auf das Recht Gewerkschaften zu gründen und als kollektive Akteure zu handeln sowie die Abschaffung indirekter Steuern, die Einführung des Normalarbeitstags. Es wird hervorgehoben:

„Die ökonomische Abhängigkeit des Arbeiters von dem Kapitalisten bildet die Grundlage der Knechtschaft in jeder Form, und es erstrebt deshalb die sozialdemokratische Partei unter Abschaffung der jetzigen Produktionsweise (Lohnsystem) durch genossenschaftliche Arbeit den vollen Arbeitsertrag für jeden Arbeiter.“

Diese Passage signalisiert eindeutig, dass die Partei eine Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft anstrebt.

Die Eisenacher Partei ist immer wieder mit dem ADAV programmatisch verglichen worden. Dabei wurde deutlich, dass der ADAV eher den Ideen von Ferdinand Lassalle, die SDAP eher den Spuren von Karl Marx und Friedrich Engelsfolgte. Allerdings gilt das eher bezogen auf das Verhältnis ihrer führenden Mitglieder August Bebel und Wilhelm Liebknecht als für ihre programmatischen Dokumente. Diese beinhalten an einigen Stellen auch „lassalleanische“ Überlegungen, wie die staatliche Förderung des Genossenschaftswesens und den vollen Arbeitsertrag für jeden Arbeiter. Beides widersprach im Kern der ökonomischen Theorie, die Marx seit mehr als zehn Jahren propagierte und 1867 in seinem Hauptwerk „Das Kapital“ dargelegt hatte.

Vor allem die deutschen Kommunisten werden sich nach der Parteigründung 1918 auf die „Eisenacher Traditionslinie“ beziehen. Dieser Traditionsbildung folgten aber auch marxistisch orientierte Sozialdemokraten und Sozialisten.

Der „Goldene Löwe“ in Eisenach (1978) – hier fand die Eröffnung des Gründungsparteitages der SDAP am 7. August 1869 statt. Die eigentliche Gründung erfolgte einen Tag später im Hotel „Zum Mohren“, das aber vor dem Zweiten Weltkrieg abgerissen wurde. Heute befindet sich eine Gedenkstätte mit Ausstellung zur Geschichte der SPD im Haus.

Quelle: Wikicommons, Link

1871 – Die Gründung des Deutschen Kaiserreichs

Die nationale Einheit wurde nicht auf demokratischem Weg „von unten“, sondern mit „Eisen und Blut“ unter der Führung Preußens „von oben“ vollzogen. Am 18. Januar 1871 wurde Wilhelm I., König von Preußen, im Spiegelsaal des Schlosses Versailles zum Deutschen Kaiser ausgerufen. Vorausgegangen waren der Krieg Preußens und Österreichs gegen Dänemark um Schleswig, Holstein und Lauenburg (1864), der Krieg zwischen Preußen und Österreich um die Hegemonie in Deutschland (1866) und der Deutsch-Französische Krieg (1870/71). Der formale Anlass zum Krieg war die vom preußischen Ministerpräsidenten manipulierte „Emser Depesche“. Der französische Kaiser Napoleon III. fühlte sich provoziert und erklärte Preußen am 19. Juli 1870 den Krieg. Für Bismarck war es von außerordentlicher Bedeutung, dass Frankreich als Kriegsauslöser und Gegner eines geeinten Deutschen Reichs gelten würde und somit das „Vaterland“ verteidigt werden müsse. Von Anfang an ging es Bismarck und den herrschenden Eliten auch um territoriale Gewinne. In der entscheidenden Schlacht von Sedan am 1./2. September 1870 wurden die Truppen Napoleons III. besiegt und er ging in Gefangenschaft. Zwei Tage später wurde in Paris die Republik proklamiert und Elsass-Lothringen annektiert.

Kurz nach Ausbruch des Krieges hatte die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) in Versammlungen den Krieg als dynastisch und als gegen die Interessen der französischen und deutschen Arbeiterschaft charakterisiert. Entgegen dem allgemeinen nationalistischen Taumel in weiten Teilen der Bevölkerung enthielten sich August Bebel und Wilhelm Liebknecht bei der Abstimmung über die Kriegsanleihe der Stimme im Reichstag des Norddeutschen Bundes. Bei einer erneuten Abstimmung Ende November zur Fortführung des Krieges erhoben Bebel und Liebknecht ihre Stimmen gegen die Eroberungsabsichten und solidarisierten sich mit der Französischen Republik. Sowohl die Abgeordneten der SDAP als auch die des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) stimmten Ende November gegen weitere Kriegskredite und wurden heftig angegriffen, es kam zu Tumulten im Norddeutschen Parlament. Die Sozialdemokraten wurden nicht nur verbal beschimpft und öffentlich diffamiert: Bereits am 9. September war der Braunschweiger Ausschuss der SDAP verhaftet und in Ketten nach der ostpreußischen Festung Boyen verbracht worden. Die Haft dauerte bis zum 30. März 1871. Bebel, Liebknecht und Adolf Hepner wurden wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ im Dezember angeklagt und bis zum 28. März 1871 in Untersuchungshaft festgehalten. Bei den unter nationalistischen Getöse stattfindenden Reichstagswahlen vom 3. März 1871 konnte der ADAV kein Mandat, die SDAP nur zwei Mandate erringen. Trotz seiner Inhaftierung konnte August Bebel den Wahlkreis „Glauchau-Meerane“ (Sachsen) gewinnen.

Im Vorfrieden von Versailles verlor Frankreich das Elsass, weite Teile Lothringens und musste 5 Milliarden Goldfranc an Entschädigung an das Deutsche Reich entrichten.

Verfassungsurkunde des Deutsches Reiches

Quelle: Wikicommons, Link

„Meine Herren, meines Erachtens also wird es Deutschland keineswegs Nutzen und Vorteil bringen, diese Annexion von Elsass und Lothringen zu vollziehen. Es wird auf der anderen Seite aber sehr viel dazu beitragen, die Feindseligkeit zwischen zwei der edelsten Nationen zu verlängern; … Nun, meine Herren, …, dass wir uns hier nicht in neue Opfer stürzen, dass wir die Opfer nicht unendlich verlängern, Opfer, die nur dadurch aufgebracht werden können, dass diejenigen, die immer mit dem Patriotismus voraus sind in den Worten, erst abwarten, ob ihnen die nötigen Prozente auch in die Tasche fallen…Wir verlangen eben nicht mehr und nicht weniger als die Ablehnung der Mittel zur Fortführung des Krieges, wir erwarten, dass Sie dem zustimmen, … es [nicht]  von Ihnen zu verlangen, wäre eine Dummheit von unserer Seite, wir sprechen uns dafür aus, dass unserer Ansicht nach der einzig korrekte Weg ist, die Anleihe abzulehnen, und dass es notwendig ist, eine Aufforderung an den Bundeskanzler zu richten, dahin zu wirken, dass ein Friede mit der französischen Nation, unter Verzichtleistung auf jede Annexion, schleunigst geschlossen werde“

August Bebel

Quelle: Wikicommons, Link

August Bebel im Reichstag am 26. November 1870

Der Arbeiterbildungsverein als Beginn der Organisation der Gothaer Arbeiterschaft

Mit der zunehmenden Entwicklung Gothas zur Industriestadt stieg auch die Zahl der Arbeiter. Die sozialen Probleme nahmen zu. Verschiedene private Wohlfahrtsvereine und die Armenkommission der Stadt versuchten die Not zu lindern. Die im Zuge der Revolution von 1848 in einigen Städten entstandenen Arbeiterverbrüderungen, waren im Herzogtum Gotha nicht präsent. Am 13. Juli 1854 wurden nach einem Bundestagsbeschluss in den anderen Thüringer Staaten Arbeitervereine, die „politische, sozialistische oder kommunistische Zwecke verfolgten“, verboten. Nur im Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha galt die Vereinsfreiheit ohne Anmeldepflicht, weswegen in der Folgezeit ein Arbeiterverein politisch tätig werden konnte.

Am 7. Februar 1857 wurde aber erst einmal ein Arbeiterbildungsverein zur Weiterbildung der Arbeiter und Gesellen in Gotha ins Leben gerufen. Die Initiative ging vom bürgerlichen Gewerbeverein aus. Allerdings sollte der Verein keine „politischen Interessen“ verfolgen. Im August 1857 hatte der Verein 226 Mitglieder, die sich einmal wöchentlich zu Vorträgen und Diskussionen trafen. Allerdings wollten sich die Arbeiter bald selbst organisieren und vom Bürgertum lösen. Sie wollten eigenständig politisch aktiv werden.

Am 29. März 1863 wurde ein Arbeiterverein unter dem Vorsitz von Emil Sauerteig gegründet. Der Kommissär Sauerteig versuchte 1864 alle Arbeiterbildungsvereine des Herzogtums zu vereinen. Am 5. November 1865 fand eine Beratung des ständigen Ausschusses des Vereins Deutscher Arbeiter-Vereine mit August Bebel im Kaltwasser’schen Lokal (Tivoli). Anschließend fand eine Arbeiterversammlung statt. Die Arbeiterbewegung in Gotha stand danach unter der Leitung des Rechtsanwaltsgehilfen Johann Jakob Nippoldt. Er gründete mit anderen am 13. Februar 1867 den Arbeiterbund im Kaltwasser’schen Saal. Unterstützung erhielt die Bewegung ab 1869 vom Schuhmachergesellen Wilhelm Bock, der in Großbreitenbach geboren, nach längerer Wanderschaft nach Gotha kam. Er hatte in Hamburg die Ideen von Ferdinand Lassalle kennengelernt und verbreitete sie anschließend besonders unter den jungen Gothaer Arbeitern. Der Arbeiterverein war aber schwach organisiert, kaum jemand kannte Lassalles Schriften und es gab auch noch keine gemeinsame Programmatik, gleichwohl bekannte man sich zum ADAV.

Am 12. Juni 1869 sprach August Bebel und Wilhelm Liebknecht im Arbeiterbildungsverein im „Schuler’s Saal“ (Remstädter Straße 10) in Gotha. Wilhelm Bock und Emil Sauerteig wurden zu Teilnehmern des Eisenacher Kongresses im August 1869 bestimmt. Die Gothaer schlossen sich nun der Eisenacher Richtung (SDAP) an. Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 unterstützte der Arbeiterverein unter Johann Jakob Nippoldt das Braunschweiger Manifest vom 5. September 1870. In diesem forderte das Zentralkomitee der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) die Beendigung des Krieges. Nachdem Nippoldt sich auch entsprechend im Gothaischen Tageblatt geäußert hatte, wurde er von der Militärbehörde verhaftet. Der Gothaer Landtag und das Gothaer Staatsministerium protestierten aufgrund des Grundgesetzes des Herzogtums gegen dieses Vorgehen. Nippoldt blieb bis März 1871 in preußischem Gewahrsam in Ehrenbreitenstein. Nach seiner Entlassung floh er in die USA, weil er erneut vier Monate inhaftiert werden sollte. Erst im Februar 1872 kam er nach Gotha zurück. Er war allerdings zutiefst enttäuscht darüber, dass seine Familie in seiner Haftzeit Not leiden musste und die Partei sich nicht um sie gekümmert hatte. Ein Antrag auf Straferlass der restlichen vier Monate wurde abgelehnt. Nippoldt wurde erneut inhaftiert.

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