1989-90

Friedliche Revolution in Gotha 1989

Wie in vielen anderen DDR-Städten formierte sich 1989 auch in Gotha eine Oppositionsbewegung, die sich mit den damaligen Verhältnissen nicht länger abfinden wollte. Das blutige Niederschlagen der Studentenbewegung in Peking und der offensichtliche Wahlbetrug bei den DDR-Kommunalwahlen hatten bei vielen das Fass zum Überlaufen gebracht. Im Schutz der evangelischen Kirche fanden deshalb im Herbst Friedensgebete statt, die sich schon bald zu Demonstrationszügen durch die Stadt ausweiteten.

So wurde am 27. Oktober beim Rat des Kreises eine öffentliche Aussprache mit den SED-Machthabern erzwungen, die nur zwei Tage später auf dem Hauptmarkt stattfand und an der etwa 20.000 Menschen teilnahmen. Am 3. November 1989 zog nach dem Friedensgebet ein Demonstrationszug mit Transparenten quer durch die Stadt zu einer vor dem damaligen FDGB-Gebäude stattfindenden Kundgebung. Unter anderem wurden direkte Wahlen der DDR-Volkskammer gefordert.

Nachdem sich am 7. November die „Reformgruppen“ Demokratischer Aufbruch, SDP in der DDR, Demokratie jetzt und Neues Forum im Klubhaus der Einheit vorstellen durften, rief die am 7. Oktober 1989 im Pfarrhaus in Schwante wieder gegründete Sozialdemokratische Partei die Bürger zu einer Demo am 1. Dezember auf den Hauptmarkt auf.

Am 24. November formierte sich ein aus oppositionellen Kräften bestehendes Bürgerkomitee, das sich am 4. Dezember mit Hilfe eines couragierten Staatsanwalts Zutritt zur Kreisdienststelle des Amtes für Nationale Sicherheit (vormals MfS) in der heutigen Helenenstraße 4 verschaffte, wo man viele leere Schreibtische und eine volle Waffen­kammer vorfand.

Nach dem am 5. Dezember erfolgten Rücktritt des Rates der Stadt Gotha fanden ab dem 12. Dezember erste politische Gespräche am „Runden Tisch des Kreises Gotha“ in der Versöhnungskirche auf Einladung der evangelischen Kirche und des Bürgerkomitees statt. Diesem gehörten neben oppositionellen Kräften auch Vertreter der Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee an, denn es galt, das öffentliche Leben bis zu den Neuwahlen aufrecht zu erhalten.

Hauptakteur all dieser Aktionen war der damalige Superintendent Eckardt Hoffmann (1934-2023) gewesen, der am 3. Oktober 1990 für seine Verdienste um die friedliche Revolution in Gotha zum Ehrenbürger ernannt wurde.

Im Gespräch: Mathias Wienecke

Im Gespräch: Clemens Festag

Wiedergründung des SPD-Landesverbandes Thüringen 1990

Noch vor dem Fall der Mauer gründete am 7. Oktober 1989 eine mutige kleine Gruppe im Pfarrhaus von Schwante bei Berlin die Sozialdemokratische Partei (SDP) in der DDR als Oppositionspartei. Unter schwierigen Bedingungen stand sie gegen die SED und die Blockparteien für eine demokratische, soziale und freiheitliche Politik.

Daran waren auch Gothaer Sozialdemokraten aktiv beteiligt, die am 3. November in der Gothaer Versöhnungskirche eine Basisgruppe gründeten. Am 20. Januar 1990 entstand im Tivoli, der Wiege der deutschen Sozialdemokratie, der SPD-Kreis­verband Gotha neu.

Eine Woche später konnte sich dann im historischen Saal des Tivoli – im Bei­sein des Präsidenten der Sozialistischen Internationale und Ehrenvorsitzenden der SPD Bundeskanzler a.D. Willy Brandt (1913-1992) – der SPD-Landesver­band Thüringen nach 44-jähriger Zwangspause neu gründen. „Auch hier wächst zusammen, was zusammen gehört“, lautete Brandts treffender Kommentar.

Seit dem Abschluss der umfangreichen Sanierungsarbeiten der inzwischen maroden Bausubstanz, die sich von 1998 bis Ende 2004 hinzogen, steht das von dem 1992 gegründeten Förderverein Gothaer Tivoli betriebene historische Gebäude für Ausstellungen und Veranstaltungen jeglicher Art zur Verfügung.

So konnte am 27. Januar 2005 die Festveranstaltung anlässlich des 15. Jahrestages der Wiedergründung der Thüringer SPD im Tivoli stattfinden. Der historische Saal war bereits anlässlich des 125. Jahrestages des Vereinigungsparteitages im Jahre 2000 saniert worden, so dass nach einem Festakt in der Gothaer Stadt­halle ein Empfang am historischen Ort im Beisein von Bundeskanzler Gerhard Schröder stattfinden konnte.

Seit 2008 verleiht Gothas Oberbürgermeister Knut Kreuch alljährlich den von ihm ausgelobten Wilhelm-Bock-Preis, der nach dem Gothaer SPD-Politiker und Reichstagsabgeordneten Wilhelm Bock (1846-1931) benannt ist. Preisträger sind vor allem Politiker aus Ost- und Südosteuropa, aber auch SPD-Urgesteine wie Egon Bahr (2010), Katharina Focke (Ehrenpreis 2014), Erhard Eppler (2016), Gernot Erler (2021) und Gesine Schwan (2023).

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