NS-Zeit

Das Ende der Demokratie – die Ausschaltung aller politischen Gegner

Nach der Machtübertragung an Hitler fand am 31. Januar 1933 ein Fackelzug der SA, SS und des Stahlhelms durch Gotha statt. Solche Aufmärsche gab es überall in Deutschland. Einen Tag zuvor hatte die Polizei eine Demonstration der KPD im Volkshaus „Zum Mohren“ gewaltsam aufgelöst. Eine Kundgebung der SPD am 3. Februar unter der Losung „Für Arbeit, Frieden und Sozialismus“, auf der Hermann Brill sprechen sollte, wurde ebenso zerschlagen. Die Ausschaltung der politischen Gegner begann mit einer Verhaftungswelle am 28. Februar 1933, einen Tag nach dem Reichstagsbrand. 50 Personen wurden in sogenannte Schutzhaft genommen, davon 40 Kommunisten. Die demokratisch gewählten KPD-Abgeordneten der Gothaer Stadtverordnetenversammlung wurden daran gehindert ihr Mandat wahrzunehmen. Auch sie wurden verhaftet und mussten eine Verzichtserklärung in Bezug auf ihre Abgeordnetentätigkeit unterschreiben.

Am 8. März 1933 verbrannten Nationalsozialisten die schwarz-rot-goldene Fahne der Republik auf dem Hauptmarkt. Am 7. April erfolgte aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums die Entlassung von jüdischen und unliebsamen öffentlich Beschäftigten. Das betraf z. B. in Gotha den Arbeitsamtdirektor Robert Schäfer (SPD), acht städtische Arbeiter (alle KPD) und die kommunistischen Lehrer an der Oberrealschule Anna und Walter Lindemann.

Mit dem Gesetz der Gleichschaltung der gemeindlichen Selbstverwaltung mit Land und Reich am 8. April 1933 umfasste die Stadtverordnetenversammlung 20 Abgeordnete der NSDAP, vier der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot (einer Vereinigung von DNVP, Stahlhelm und Landbund) und einem Mitglied der DVP. Ab 20. Juli traten die letzten zwei Fraktionen nur noch als Gäste auf. Ein Merkmal der nationalsozialistischen Parlamente war, dass es keine weiblichen Abgeordneten mehr gab. Die Parlamente waren bis zum Ende der NS-Zeit gleichgeschaltet und nicht demokratisch gewählt. Die NSDAP war die einzige herrschende Partei.

Am 10. Mai 1933 kam es zur öffentlichen Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz. Dies betraf alle Bücher, die den Nationalsozialisten unliebsam waren. In Thüringen waren schon zuvor per Anordnung alle Bibliotheken angewiesen worden, indizierte Bücher aus den Beständen zu entfernen.

Der Gothaer Herzog Carl Eduard – Unterstützer der nationalsozialistischen Diktatur

Besonders problematisch in dieser Zeit ist die Rolle des ehemaligen Herzogs von Sachsen-Coburg und Gotha.

Er war seit 1922 mit Adolf Hitler bekannt und unterstützte alle nationalistischen und völkischen Wehrverbände, wie den Wikingbund, den Stahlhelm usw. finanziell und personell, indem er bei deren Treffen auftrat und Ämter übernahm. Nach dem Kapp-Putsch versteckte er den polizeilich gesuchten Hermann Ehrhardt auf Schloss Callenberg. Auch war er Bezirksführer Coburg der Brigade Ehrhardt und zusätzlich Oberbezirksführer Thüringen der Organisation Consul, die für mehrere politische Morde in der Zeit der Weimarer Republik verantwortlich war.

Sein Verhältnis zur Sozialdemokratie wurde schon vor dem Ersten Weltkrieg durch seine Mitgliedschaft im Verein zur Abwehr der Sozialdemokratie deutlich, obwohl die SPD im Gothaer Landtag parlamentarisch mitarbeitete und Wilhelm Bock und seine Genossen gemäßigt auftraten. Die Gründung der kriegsgegnerischen USPD in seinem Herzogtum muss für ihn besonders provokant gewesen sein, war er doch selbst an der Front und glühender Kriegsverherrlicher. Am 17. Juni 1917 bombardierten 17 in der Gothaer Waggonfabrik produzierte Bomber London. Bei dem Angriff starben 160 Menschen. Herzog Carl Eduard wurde in England geboren und war mit der englischen Königsfamilie verwandt.

Ab 1933 übernahm er hohe politische Ämter in der NSDAP und trat in der Öffentlichkeit mit hohen Funktionären der Partei auf. Er war z. B. förderndes Mitglied der SS und Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Er reiste und vertrat Deutschland im Ausland. Er repräsentierte dadurch den NS-Staat und kann so schwerlich nur als Mitläufer bezeichnet werden. Denn der Herzog war nach wie vor Vorbild für viele vor allem Bürgerliche.

Seine Tochter Sibylla heiratete 1932 den Erbprinzen Gustav Adolf von Schweden. Die schwedische Königsfamilie versuchte Opfer des NS-Regimes zu unterstützen und bat Carl Eduard um Hilfe, die er stets abwies.

Festkonzert anlässlich der Eröffnung des Deutsch-Polnischen Instituts an der Lessing-Hochschule Berlin im Marmorsaal des Zoos. Von links: der polnische Botschafter Dr. Lipski, der ehemalige Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha neben Reichsminister Josef Goebbels.

Quelle: Wikicommons, Link

Der Sturm auf die Gewerkschaftshäuser

Am 2. Mai 1933 wurde eine weitere Säule der demokratiestützenden Institutionen der Weimarer Republik zerstört. Mit der Zerschlagung der freien Gewerkschaften wollten sich die Nationalsozialisten die Unterstützung der Arbeiterschaft sichern bzw. noch einmal deutlich machen, dass nur ihre Organisationen noch aktiv sein durften. Der ADGB versuchte die Zerschlagung der Gewerkschaften zu verhindern, indem er mit den Nationalsozialisten verhandelte und sich anpasste. So rief der ADGB seine Mitglieder auf, den 1. Mai 1933 als „Tag der nationalen Arbeit“ zu unterstützen. Die Nationalsozialisten nutzten den Tag, um aufzumarschieren und ihre Propaganda zu verbreiten. Allein auf dem Tempelhofer Feld in Berlin nahmen Hunderttausende teil.

Einen Tag später wurden die Gewerkschaftshäuser gestürmt, das Inventar zertrümmert, die Arbeiterbibliotheken und das Vermögen der Gewerkschaften beschlagnahmt. Die Gewerkschaftsfunktionäre wurden verhaftet, teilweise gefoltert und einige ermordet. Allein in Thüringen betraf das 120 Männer und 80 Gewerkschaftshäuser.

In Gotha stürmte eine Gruppe von SA und SS das Volkshaus „Zum Mohren“ und verwüstete es. Die Gewerkschafter Otto Dienemann, Jakob Krächan, Bernhard Bähre und Wilhelm Kraft wurden verhaftet. Zwei von ihnen, Krächan und Bähre, waren Stadtverordnete der SPD.

Bernhard Bähre kam zwar einige Tage später frei, er schwebte aber in großer Gefahr. Eine Menschenmenge zerrte ihn eines Tages aus seiner Wohnung, trieb ihn durch die Straßen und verprügelte ihn. Gothaer wurden so zu Tätern. Bernhard Bähre verließ Gotha und lebte anschließend in seiner Geburtsstadt Hannover.

Die Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) wurde 1927 gegründet. Sie bestand bis 1934. Die NSBO sollte die freien Gewerkschaften schwächen, was ihr zunächst nicht gelang. Einige Tage nach der Zerschlagung der freien Gewerkschaften wurde die Deutsche Arbeitsfront (DAF) ins Leben gerufen. Ab dem 19. August 1933 hieß das Volkshaus „Zum Mohren“ in Gotha „Haus der deutschen Arbeitsfront“. Die Straße davor wurde später in „Robert-Ley-Straße“ umbenannt. Robert Ley war Reichsleiter der NSDAP und des Einheitsverbandes der Deutschen Arbeitsfront. Unter den Nationalsozialisten gab es keine Tarifverträge mehr, sondern nur noch Tarifordnungen, die Löhne sanken und die Arbeitszeit stieg.

Viele der Gothaer Arbeiter mieden den Besuch des Hauses und boykottierten so still die Gleichschaltung. Einige Gewerkschafter, wie der langjährige Vorsitzende des Ortsvereins des Holzarbeiterverbandes Otto Heller, trafen sich illegal in seiner Wohnung, um Widerstand, wie „langsames Arbeiten“ zu organisieren.

Das Gothaische Tageblatt berichtete unter der Überschrift „Gewerkschaftssekretär Bähre aus der Wohnung geholt und blutig geschlagen“:

„… Von einem Kriminalbeamten in Schutzhaft genommen, dann zur Wache gebracht und schließlich ins Gerichtsgefängnis eingeliefert. Gestern Abend versammelten sich zwischen 7 und 8 Uhr vor der Wohnung des sozialdemokratischen Gewerkschaftssekretärs Bähre in der Dreikronengasse eine große Menschenmenge, die Drohrufe ausstieß und verlangte, dass Bähre herauskommen solle. Als Bähre nicht erschien, drangen mehrere Personen in die Wohnung ein und zerrten ihn auf die Straße. … Einige Personen schlugen auf Bähre ein und verletzten ihn am Kopf. Bähre wurde bis zur Ecke Cosmarstraße gedrängt, anscheinend in der Absicht ihn der Polizei auszuliefern. Die Menge war inzwischen durch den Zuzug Neugieriger stark angewachsen, die Erregung nahm immer mehr zu, und die Drohungen wurden immer lauter. Bähre wurde ununterbrochen tätlich angegriffen. An der Ecke Comarstraße erschien ein zufällig des Weges kommender Kriminalbeamter, der es als seine Pflicht ansah, Bähre in Schutzhaft zu nehmen, um ihn vor weiteren Ausschreitungen der erregten Menge zu schützen. Unter lauten Zurufen und Johlen der Menge begab sich der Kriminalbeamte mit dem Schutzhäftling zur Polizeiwache auf dem Rathaus. Hier wurde die Menge von der Polizei zerstreut. Auf eigenen Wunsch wurde Bähre bei eintretender Dunkelheit in einem Personenauto unter polizeilichen Schutz und in Begleitung seines Sohnes ins Gerichtsgefängnis eingeliefert …“

Die Verfolgung und Ermordung jüdischer Bürger in Gotha

Am 11. März 1933 gegen Mittag demonstrierten Nationalsozialisten in der Erfurter Straße mit Schildern „Kauft nicht bei den Juden!“. Ein Glastür des Geschäfts Willy Herrmann wurde zertrümmert. Schon in den Jahren zuvor hatte der Antisemitismus in Gotha wie überall zugenommen. Verschiedene Vereine hatten jüdische Mitmenschen von der Mitgliedschaft ausgeschlossen, jüdische Geschäfte wurden boykottiert und jüdische Bürger von Gothaern offen antisemitisch angefeindet.

Ein Vertreter des Gothaer Antisemitismus war der Geograph Paul Langhans, der Mitglied der antisemitischen Deutschsozialen Reformpartei war und von 1896 bis 1907 das Antisemitische Monatsblatt herausgab. Ab 1909 übernahm er den Posten des Bundeswartes des Deutschbundes. Dieser Bund nahm sich als rassische Elite wahr. Langhans richtete auch eine der umfangreichsten Rassebüchereien Deutschlands in Gotha ein. Nur die in München und Berlin waren größer. Er unterstützte das menschenverachtende Denken und Wirken der Gothaer Nationalsozialisten durch Schulungsveranstaltungen zum Thema „Rasse“.

Die jüdische Bevölkerung Gothas war wie überall in Deutschland der Verfolgung ausgesetzt, die in der Deportation und Ermordung von jüdischen Menschen in Konzentrationslagern endete. Gothaer wurden zu Tätern, da sie an Aktionen gegen jüdische Mitbürger teilnahmen, ihren Besitz vereinnahmten und die Deportation begrüßten und nicht verhinderten.

Im September 1935 wurden die Nürnberger Gesetze erlassen, nach denen jüdischen Bürgern alle Rechte aberkannt wurden. In Gotha wurde in der nationalsozialistischen Tageszeitung „Der Gothaer Beobachter“ ein sogenannter „Judenspiegel“ veröffentlicht, der die in der Stadt lebenden Menschen jüdischen Glaubens auflistete. Ziel war es, dass man nicht mehr zu jüdischen Ärzten und Anwälten gehen, den Kontakt zu Juden generell abbrechen und nicht mehr in jüdischen Läden einkaufen sollte. Einige Gothaer widersetzten sich diesen Aufforderungen. Sie wurden in den sogenannten Stürmerkästen in der Bergallee, am Myconiusplatz und anderen Plätzen namentlich bekannt gemacht und so denunziert. Auch meldete die SA Menschen, die in jüdischen Geschäften kauften, beim Arbeitgeber. Das führte oft zum Verlust des Arbeitsplatzes.  Kinder und Jugendliche wurden schon früh auf die nationalsozialistische Ideologie getrimmt. So trieben Mitglieder der Gothaer Hitlerjugend jüdische Menschen durch die Stadt.

In der Nacht vom 9. bis 10. November 1938 wurde in der Reichspogromnacht die Gothaer Synagoge in der Moßlerstraße niedergebrannt und die letzten jüdischen Geschäfte zerstört. Mit Kriegsbeginn wurden Jüdinnen und Juden, wie überall in Deutschland, in Gotha in einem sogenannten Judenhaus untergebracht. 1941 lebten nur noch 37 jüdische Gothaer von einst rund 350 in der Stadt.

Am 9./10. Mai 1942 begann die Deportation der Thüringer Jüdinnen und Juden nach Belzyce. Alle bis auf eine Frau wurden ermordet. Am 19. September 1942 wurden 364 Menschen aus Thüringen ins KZ Theresienstadt gebracht. Viele wurden in Auschwitz ermordet. Die Leichenverbrennungsöfen und Lüftungstechnik für die Gaskammern in Auschwitz wurden vom Unternehmen Topf & Söhne in Erfurt hergestellt.

Brandruine der Gothaer Synagoge 1938

Quelle: Sammlung Matthias Wenzel

Wir gedenken der Opfer des Holocaust.
Das Thüringer Gedenkbuch für die ermordeten Jüdinnen und Juden befindet sich auf der Website „Neun Jahrhunderte jüdisches Leben in Thüringen“:

Wir gedenken außerdem der Opfer der Euthanasie, der Sinti und Roma.
Über die Gothaer Opfer liegen kaum Forschungen vor.

Widerstand

An dieser Stelle können nur einige Beispiele des Widerstandes beschrieben werden. Wir gedenken der mutigen Frauen und Männer der Stadt Gotha, die in der Zeit des Nationalsozialismus viel erleiden mussten.

Sozialdemokratischer Widerstand

Der in Ohrdruf aufgewachsene und später in Gotha wirkende Hermann Brill unterstützte kurze Zeit nach der Machtübertragung an Hitler die bereits 1929 gegründete Gruppe „Neu Beginnen“, die eine Außenstelle in Ostthüringen in Gera unter der Leitung von Jakob Greidinger hatte. Viele ehemalige Mitarbeiter der Heimvolkshochschule Tinz, einer überparteilichen Arbeiterschule, engagierten sich hier. Hermann Brill schrieb ein Programm für die Gruppe mit dem Titel „Der Realist“, in dem er kritisch die Fehler der SPD analysierte, die den Aufstieg der Nationalsozialisten begünstigt hatten. Herbst 1934 wurden viele Mitglieder von „Neu Beginnen“ verhaftet. Hermann Brill setzte seine Tätigkeit in der „Deutschen Volksfront“ in Berlin fort. Die 1935/36 gegründete Organisation wollte alle antifaschistischen Kräfte, also Sozialdemokraten, Kommunisten und Sozialisten, vereinen. Neben Brill waren vor allem Otto Brass, Oskar Debus und Franz Petrich beteiligt. Das „10-Punkte-Programm“ der Vereinigung forderte eine „politische, soziale und wirtschaftliche Demokratie“ nach dem Ende des NS-Staates. Herbst 1938 wurden alle Mitglieder verhaftet. Brill wurde über Berlin-Moabit nach Brandenburg-Görden und Buchenwald gebracht. In Buchenwald gründete er zusammen mit Ernst Thape (SPD), Werner Hilpert (Zentrum) und Walter Wolf (KPD) das Volksfront-Komitee. Es entstand das Buchenwalder Manifest „Für Frieden, Freiheit, Sozialismus“ als Schrift, die in sechs Punkten die Vernichtung des Faschismus, den Aufbau einer Volksrepublik, die Befreiung der Arbeit und ihrer Sozialisierung, Frieden und Recht, Humanität und sozialistische Einheit forderte.

Kommunistischer Widerstand

Die größte Widerstandsgruppe in Gotha war die Neubauer-Poser-Gruppe. Theodor Neubauer wurde 1939 aus der Haft entlassen. Er wohnte in Tabarz und arbeitete in Gotha. Die Gruppe richtete 1943 eine Druckerei in Jena ein und stellte Flugblätter her. Es gab ein Netz von Informanten, die Menschen unabhängige Informationen über den Krieg zukommen ließen. Dazu gehörte eine kleine illegale Gruppe in der Zahnradfabrik Theodor Ehrlich. Die Mitglieder waren die Arbeiter Karl Protzmann, Hugo Koch, Albert Ellenberger, Hugo und Hermann Meister. Sie sabotierten die Kriegsproduktion durch „langsam Arbeiten“ und durch Beschädigung von Teilen.  Die Gruppe schmuggelte auch Lebensmittel in das Zwangsarbeiterlager auf dem Gelände der Ziegelei Robert Friedrichs in Gotha-Ost.

Die Neubauer-Poser-Gruppe flog auf. Magnus Poser und Theodor Neubauer wurden am 14. Juli 1944 verhaftet. Magnus Poser starb am 21. Juli 1944. Bei einem Fluchtversuch wurde er durch mehrere Schüsse schwer verwundet, an denen er einige Stunden später verstarb. Theodor Neubauer wurde am 5. Februar 1945 im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet.

Einige ehemalige Gothaer Stadtverordnete der KPD verließen Gotha und schlossen sich Widerstandsgruppen an. Anna und Walter Lindemann unterstützten die Lehrerwiderstandsgruppe um Kurt Steffelbauer. Frida Winckelmann leistete Widerstand in Berlin-Reinickendorf und Berlin-Britz. Sie wurde im KZ Moringen inhaftiert. Martha und Wilhelm Knapp druckten und verteilten Flugblätter in Berlin. Wilhelm Knapp übernahm Kurierdienste. Martha Knapp starb im Lager Gurs in Frankreich.

Widerstand aus dem Bürgertum

Der Widerstand aus dem Bürgertum in Gotha ist zumeist nicht ausreichend erforscht, so dass hier nur einige Beispiele gegeben werden können. Der ehemalige DDP-Politiker und Lehrer Oskar Gründler arbeitete an der Löfflerschule in Gotha. Er sagte oft unverhohlen seine Meinung und kritisierte den NS-Staat offen. So äußerte er sich kritisch über die Winterhilfswerksammlungen, die Umbenennung der „Gartenstraße“ in die „Straße der SA“ und die Forderung nach dem „Ariernachweis“ für seine verstorbene Frau. Sein Verhalten führte 1937 zu einem Disziplinarverfahren gegen ihn. Da aber seine Kolleg:innen ihn deckten und sich bei den Vernehmungen „nicht erinnern konnten“, konnte er, obwohl mehrfach denunziert, nicht belangt werden.

Der Rechtsanwalt Otto Kibat half jüdischen Gothaern, die noch fliehen konnten, bei der Auflösung und der Überführung ihres Vermögens in das jeweilige Fluchtland. Außerdem lehnte er es ab, alle Rechtssachen der NSDAP und Stadtsparbank in Gotha zu übernehmen. Der von ihm und seinem Bruder Arthur übersetzte chinesische Roman „Djin Ping Meh“ wurde während der NS-Zeit verboten.

Otto Kibat und Oskar Gründler wurden nach 1945 im antifaschistischen Komitee aktiv.

Kirchlicher Widerstand

Der Gothaer Pfarrer Gerhard Bauer unterzeichnete 1934 die Ulmer Erklärung. In dieser wehrten sich einige Landeskirchen und Gemeinden gegen die Vereinnahmung der evangelischen Kirche durch die Nationalsozialisten. Der Bekennenden Kirche unter Gerhard Bauer und dem Eisenacher Pfarrer Otto Ernst gelang es, 150 Anhänger unter den 700 Geistlichen in Thüringen zu gewinnen. Das Büro der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft Thüringens befand sich in der Gartenstraße 29 in Gotha. Gerhard Bauer leitete das Büro und half verfolgten Thüringer Pfarrern, Vikaren und Gemeindemitgliedern. In dem Büro arbeitete auch der Pfarrer Werner Sylten als Geschäftsführer. 1937 setzte der Kampf der Nationalsozialisten gegen die Bekennende Kirche ein. Gerhard Bauer wurde am 3. Februar 1938 entlassen. Er fand nach langer Suche eine Arbeit in Stargard (Pommern). März 1938 schloss die Gestapo das Büro in der Gartenstraße. Werner Sylten war als „Halbjude“ eingestuft und musste Gotha verlassen. Am 27. Februar 1941 wurde er verhaftet. Der Vorwurf war, dass er von einem Flugblatt, dass das Elend österreichischer Juden thematisierte, wusste. Er wurde in das Konzentrationslader Dachau gebracht und im August 1942 in Schloss Hartheim vergast.

Ziviler Ungehorsam

Die Gothaer Zeitungen und die Akten der NS-Zeit berichten von einer weiteren Form des Widerstandes. Immer wieder lehnten es Gothaer z. B. ab, den Hitlergruß zu zeigen, das Horst-Wessel-Lied zu singen oder mitzumarschieren. Dafür wurden sie verhaftet und von Gerichten verurteilt. Die Haft konnte einige Wochen, aber auch schon für das kleinste Vergehen mehrere Monate betragen. Einige wurden in Konzentrationslager gebracht und überlebten die Haftzeit nicht.

Manche Gothaer trugen weiterhin Kennzeichen von republikanischen Organisationen, wie gewisse Kleidungsstücke oder Abzeichen. Andere konnten bei einem Glas Bier in der Gaststätte nicht an sich halten und kritisierten öffentlich den NS-Staat. Manche hörten sogenannte „Feindsender“, d. h. ausländische Radiosender, um sich mit unabhängigen Nachrichten zu versorgen und sie im Bekanntenkreis vorsichtig zu diskutieren. Der NS-Staat verbreitete seine Propaganda und Fake News. Einige Gothaer gingen nicht zu Wahlen. Sie verließen Gotha, um nicht wählen gehen zu müssen.

Alle diese Aktionen wurden nur dann bestraft, wenn es Denunzianten gab. Nachbarn, Kollegen, Behörden (wie die Gestapo) und Parteimitglieder mit entsprechenden Positionen (wie der Blockwart) zeigten diese mutigen Gothaer an, die dann drakonisch bestraft wurden.

Diese Aktionen führten zwar nicht zu einer entscheidenden Wende der politischen Verhältnisse, sie sind aber Ausdruck des Nichtnachgebens gegenüber dem NS-Staat. Diese Gothaer verweigerten sich im Rahmen des Möglichen – in einer Gesellschaft, die unter „totaler Kontrolle“ stand.

Der Zweite Weltkrieg

Ab 1933 begann auch die Aufrüstung Deutschlands mit dem Ziel einen Krieg zu beginnen. Die Gothaer Waggonfabrik übernahm den Bau von Flugzeugen und gepanzerten Eisenbahnwagen. Andere Metallverarbeitende Betriebe, wie die Zahnradfabrik Ehrlich und die Metallwarenfabrik Kallmeyer & Harjes produzierten für die Rüstungsindustrie. Weiterhin wurden militärische Anlagen, wie der Gothaer Flughafen, eine Verkehrsfliegerschule und der Fliegerhorst mit Wohnungen für Militärpersonal, wiedererrichtet bzw. aufgebaut. Ohne die Aufrüstung hätten die Nationalsozialisten die Arbeitslosigkeit nach 1929 nicht eindämmen können. Die Arbeiter verdienten allerdings nur gering, so dass es zu Unmutsäußerungen kam. Arbeiter im Steinbruch am Krahnberg stimmten während der Arbeit die Internationale an, was zu harten Sanktionen seitens der NS-Diktatur führte.

Am 1. September 1939 überfiel Deutschland Polen, der Zweite Weltkrieg begann. Drei Tage später wurde der Acht-Stunden-Arbeitstag, der tarifliche Urlaub, Zuschläge für Überstunden, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie die freie Arbeitsplatzwahl abgeschafft. Für die Bevölkerung wurden schon wenige Monate nach dem Kriegsbeginn Lebensmittel und andere Waren rationiert.

Der erste Luftangriff in der Stadt fand am 9. Juni 1941 statt. Dabei wurde lediglich das Schießhaus (heutige Stadthalle) beschädigt. Ab 1943 kamen immer mehr Bombengeschädigte aus anderen Städten des Saar- und Rheinlandes nach Gotha. Die Luftalarme nahmen auch in der Stadt zu: 1944 wurde 159 der Alarm ausgelöst. Am 24. Februar 1944 bombardierten amerikanische Flugzeuge die Gothaer Waggonfabrik. Die Produktion wurde in umliegende Dörfer ausgelagert. Ein weiterer Luftangriff am 20. Juli 1944 zerstörte die Fabrik zu 80 %. Im November 1944 wurden Gebäude in der Friedrich-Jacobs-Straße, auf dem Neumarkt und der Gartenstraße, sowie die Bahnhofsgegend, Gebäude im Heutal, in der Oststraße, beim Schloss und Park bombardiert.

Der größte Luftangriff auf die Stadt am 6. Februar 1945 traf erneut die Gegend um den Bahnhof und das Südviertel. Am 10. März folgte ein Bombardement der Innenstadt.

Der Gauleiter Fritz Sauckel erklärte am 20. Februar 1945 den „Trutzgau Thüringen“ und wollte durch diese unsinnigen Parolen, Thüringer als lebendige Waffen gegen die amerikanischen und russischen Truppen schicken.

Opfer des von Deutschland angezettelten Krieges:

  • schätzungsweise rund 70 Millionen Menschen weltweit
  • über 5 Millionen deutsche Soldaten und über eine Millionen deutsche Zivilisten

Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik:

  • rund 6 Millionen Juden
  • über 3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene
  • zwischen 100.000 bis 200.000 Sinti und Roma
  • über 250.000 Euthanasieopfer
  • über 4 Millionen KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und Deportierte

Opfer in Gotha:

  • jüdische Gothaer: 50-100
  • Tote der Bombenangriffe: 542
  • gefallene Soldaten: 1.628

Die Gothaer Opferzahlen von politischen Häftlingen, Deportierten, Inhaftierten, von Sinti und Roma, der Euthanasie, von Homosexuellen u.a. sind bisher leider nicht bekannt.

Wir gedenken der Gothaer Opfer der NS-Diktatur!

Der Gothaer Neumarkt nach der Bombardierung am 10. November 1944

Quelle: Stadtarchiv Gotha

Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene

Der Arbeitskräftebedarf in Deutschland wuchs nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs enorm und konnte nicht über angeworbene freiwillige Arbeitskräfte abgedeckt werden. In der Folge wurden Menschen aus ihrem Heimatland verschleppt oder Kriegsgefangene zur Arbeit in Deutschland gezwungen. Nachweislich gab es bis April 1945 mindestens 6895 Zwangsarbeiter in Gotha. Sie kamen aus 24 Nationen, wie z. B. der Ukraine, Russland, Polen, Frankreich, Holland, Italien, Belgien, Kroatien oder Tschechien.

Seit 1940 wurden Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Gothaer Betrieben und in der Landwirtschaft eingesetzt. Sie wurden in sogenannten „Fremdarbeiterlagern“, von denen es rund 20 in der Stadt gab, untergebracht. Die Eingesperrten wurden ständig bewacht. Ein Sechstel der Arbeiter wurden privat, u.a. auch in Gaststätten einquartiert. 168 Kinder von Zwangsarbeiterinnen sind nachweislich in Gotha geboren. Davon starben 60. Die Dunkelziffer dürfte die Zahlen erhöhen. Grund war die schlechte medizinische Versorgung, die schlechte Ernährung und Unterbringung.

Ein Lager befand sich auf dem Gelände der Waggonfabrik. Hier starben am 24. Februar 1944 durch den Luftangriff der Amerikaner 20 Zwangsarbeiter aus Frankreich, Polen, Russland, Holland und Italien. Auch der schwerste Luftangriff auf Gotha am 6. Februar 1945, der das Südviertel und die Gegend um den Bahnhof traf, forderte 58 Tote unter den Zwangsarbeitern. Sie kamen aus Lettland, Litauen und Polen.

In der Nähe von Gotha befand sich in Ohrdruf ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. Die Inhaftierten sollten Stollen in den Fels des Jonastales treiben. Hier fanden tausende Menschen den Tod. Das Lager wurde im April 1945 von der 4. US-Panzerdivision erobert. Ohrdruf war das erste von Westallierten befreite Lager, in dem Häftlinge überlebt hatten.

„Es ist unmöglich, das alles zu vergessen – Die gewaltsame Trennung von der Heimat, von den Verwandten und Freunden raubt die letzten Kräfte. Viele hielten das nicht aus und weinten. Sie weinten aus Kränkung über ihre Rechtslosigkeit, im Bewusstsein ihrer Ohnmacht“

Ein 17jähriger Zwangsarbeiter in Neudietendorf, der danach im Gefängnis in Gotha und im KZ Buchenwald inhaftiert wurde (Quelle: Schülerarbeit zu Zwangsarbeitern in Gotha, Staatsarchiv Gotha)

General Dwight Eisenhower und eine Gruppe von Offizieren der US-Army im Außenlager Ohrdruf.

Quelle: Wikicommons, Fotograf unbekannt - United States Holocaust Memorial Museum, Fotografie #77811, gemeinfrei, Link

„Aktion Gitter“ – Verhaftungswelle in Thüringen 1944

Das NS-Regime führte seit 1935/36 eine Liste der ehemaligen Politiker:innen der Weimarer Republik. Bereits Frühjahr 1939 wurden unter dem Namen „Aktion Gitter“ im neu errichteten sogenannten Protektorat Böhmen und Mähren (ehemalige Tschechei) tausende Personen verhaftet. Eine weitere Aktion namens „Albrecht I“ folgte zu Beginn des Zweiten Weltkrieges. 2.000 Menschen wurden als „politische Schutzhäftlinge“ in das Konzentrationslager Buchenwald geschafft.

Heinrich Himmler sollte gemäß eines Befehls vom 14. August 1944 alle ehemaligen KPD- und SPD-Funktionäre inhaftieren lassen. Dies betraf alle ehemaligen Reichstags- und Landtagsabgeordnete sowie Stadtverordnete der SPD und KPD, auch einige des Zentrums. Hinzu kamen Gewerkschafts- und Parteifunktionäre der SPD, unabhängig davon ob sie immer noch politisch tätig waren. In den frühen Morgenstunden des 22. August starteten die Massenverhaftungen unter dem Namen „Aktion Gitter“. Die Betroffenen aus Thüringen wurden in Gefängnisse, vor allem nach Weimar gebracht und anschließend in Konzentrationslager. Die Frauen wurden in Ravensbrück inhaftiert.

Die Aktion geschah nicht, wie immer noch oft geschrieben, in Folge des Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944. Sie war bereits vorher geplant, ihre Ausführung gewiss.

Die KPD-Funktionärin Lotte Bust aus Erfurt über ihre Inhaftierung in Weimar und Ravensbrück 1944. Sie erwähnt einige ehemalige weibliche Stadtverordnete aus Weimar und Eisenach. (nachgesprochen)

Kriegsende – „Damit Gotha leben kann, muss ich sterben“

Am 1. Februar 1945 wurde Oberstleutnant Josef Ritter von Gadolla zum Kampfkommandanten von Gotha ernannt. Ende März wurden als Verstärkung Verbände Waffen-SS in Gotha stationiert. Sie errichteten mit der HJ und dem Volkssturm Abwehrstellungen um die Stadt. Zum Volkssturm wurden in den letzten Kriegswochen 16- bis 17jährige und Männer im hohen Alter eingezogen, obwohl bereits klar war, dass Deutschland den Krieg verloren hatte. Hier wurden unausgebildete Männer mit wenig Munition in einen aussichtslosen Kampf geschickt.

Gadolla begann vorsorglich alle Lebensmittelvorräte von den Wehrmachtslagern in Lager des privaten Handels zu transportieren, damit diese nach dem Ende des Krieges der Zivilbevölkerung zur Verfügung stehen. Oberbürgermeister Fritz Schmidt ordnete an, dass alle Akten, welche die Gräueltaten des NS-Regimes bewiesen, vernichtet werden sollten.

Derweil versuchte eine Gruppe von älteren ehemaligen Gewerkschaftern, die zum Volkssturm eingezogen waren, die Männer im Volkssturm zum Boykott zu bewegen. Zu diesen Gewerkschaftern gehörten Otto Heller, Otto Dienemann, Karl Heinz, Otto Koch, Karl Hubert und Karl Kühr.

Im kirchlichen Bereich bildete sich ein Kreis unter dem katholischen Pfarrer Joseph Redemann, der sich damit auseinandersetzte, wie das Leben nach der NS-Diktatur aussehen konnte und die Stadtverwaltung organisiert werden sollte. Der Kreis hatte auch Kontakt zu dem Architekten Hermann Henselmann und zu Hugo Meister, einem Mitglied der kommunistischen Neubauer-Poser-Gruppe.

Am 3. April wurde Gotha in Alarmbereitschaft versetzt, da die amerikanischen Truppen bereits in der Nähe von Gotha waren. Die SS brachte ein Geschütz hinter dem Landestheater in Stellung. Der 1840 eröffnete Schinkelbau wurde ein Opfer der Flammen, als das Geschütz von amerikanischen Flugzeugen beschossen wurde.

Als die Front immer näher rückte, flohen feige die hochrangigen Nationalsozialisten, wie der Oberbürgermeister Fritz Schmidt, Kreisleiter der NSDAP Wilhelm Busch und der SS-Gruppenführer Paul Hennicke, und überließen Gotha dem Schicksal. Gadolla gab den Wehrmachtsangehörigen den Befehl, sich Richtung Arnstadt-Erfurt zurückzuziehen. Er selbst wollte die kampflose Übergabe Gothas übernehmen. Er ließ auf einigen öffentlichen Gebäuden weiße Fahnen hissen und fuhr zusammen mit Georg-Heinrich Sandrock, Beamter der Stadtverwaltung, gegen 16 Uhr in die Richtung der amerikanische Truppen. Sie wurden aber von der SS auf dem Bertha-von-Suttner-Platz angehalten, das Fahrzeug wurde beschlagnahmt und die SS drohte sie zu erschießen. Die weißen Fahnen wurden entfernt und der Beschuss startete erneut. Gadolla unternahm mit Adolf Müller-Kirchenbauer eine zweite Parlamentärsfahrt zwischen 19 und 20 Uhr. Kurz vor Boilstädt wurden sie aufgegriffen, verhört und nach Weimar gebracht, wo Gadolla am 5. April 1945 in der Nähe des Ettersberg erschossen wurde. Seine letzten Worte waren: „Damit Gotha leben kann, muss ich sterben“.

Am 4. April 1945 um 9 Uhr unterzeichneten der Stadtrechtsrat Günther Ewald und der Stadtamtmann Fritz Ritter die Kapitulationsurkunde. Der Krieg war für die Gothaer zu Ende.

Weimarer Republik

DDR